POLARE EINHEIT 2007


Polare Einheit

 

„Kraft durch Harmonie“, die Symbolik meines Logos - ausgedrückt durch die Verbindung

der chinesischen Stempel - verweisen auf die Harmonie zwischen Menschen und zwischen Mensch und Natur. Naturerscheinungen und Lebensabläufe stehen in einer polaren Wechselbeziehung zueinander wie sie schon im Yin und Yang der chinesischen Philosophie begründet wurden. Danach befinden sich Yang und Yin in einem dauerhaften Zustand von Veränderung und harmonischem Gleichgewicht: Tag und Nacht - Himmel und Erde - bewegend und still - weiß und schwarz …

 

Die überwiegend als Diptychon oder Triptychon gestalteten Bildkompositionen nehmen

diese „polare Einheit“ auf. Auch die Texte stehen in Wechselbeziehung zu den Bildobjekten – auch sie bilden eine „polare Einheit“ in sich. Der ewige Kreislauf in dem sich der Mensch in Verbindung mit der Natur befindet, wird in den Licht-Bildern spürbar, die in Abhängigkeit vom Tageslauf zu atmen scheinen. Sie erwachen mit dem Tageslicht, strahlen belebt mit der Sonne und verlöschen in der Dämmerung. Wenn sich das Licht völlig zurückzieht, die Leinwand nicht mehr vom Licht durchströmt wird und ihre

Transparenz verliert, offenbart sich „Polarität und Einheit“ in einer weiteren Bild-Erfahrung desselben Bildes. Farben spielen mit dem Lichtzyklus des Tages und dieser Kreislauf wiederholt sich an jedem Tag mit dem Aufgang der Sonne – wie der Kreislauf der Natur. Dass sich im Kreislauf Anfang und Ende aufheben, wird im Umlauf der Licht-Säule erfahrbar.

 

Licht- und Farbempfindungen, Lichtstimmungen, Lichtreflexe und Farbgefühle bewegen und faszinieren mich immer mehr und finden ihren Ausdruck ebenso in den Lichtinstallationen. Natürliches und künstliches Licht legen neue „Bild-im-Bild-Details“ offen. Das Licht, das sich in Leinwand und Farbe einwebt, komponiert ein neues Bild. Oberflächen, Farbverläufe, Spuren und das „Drüber und Drunter“ werden neu herausgebildet und verändern in ihrer Transparenz die Rezeption.

 

 

Karl-Heinz Pasing

 

im Oktober 2006


Ausstellungseröffnung 12.8.2007

Gelderland-Klinik & See Hotel

Kreislauf (Licht-Bilder-Säule / Installation zum Liedtext "...wenn der Himmel sich zur Erde senkt") 2006

Acryl auf Leinwand / Leuchtstoffröhren

140 x 42 x 42 cm

Licht-Bänder bewegend / Yang & still / Yin

(Licht-Bilder / Diptychon) 2006

Acryl au Leinwand / 100 x 80 cm



Harmonie - oder "Spürst Du ..." (Licht-Bild zum Text) 2006

Acryl auf Leinwand / 100 x 70 cm


WORTE (Licht-Bilder zum Text / Diptychon) 2006

Acryl auf Leinwand / 100 x 140 cm / unten Detail


Chaos & Ordnung (Collage) 2007

Acryl auf Acrylglas / Leinwand / 70 x 95 cm


Weiß braucht Schwarz & Schwarz braucht Weiß

...zur Musik von Tracy Chapman "Dreaming on a world"

(Triptychon zum Liedtext "Träumen von einer Welt") 2005

Acryl auf Leinwand / 100 x 120 cm


Ausstellungseröffnung POLARE EINHEIT am 12. August 2007

Einführung Nina Schulze M.A.

(Kunsthistorikerin)

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Herzlich willkommen zu dieser Ausstellung in den Räumen der Gelderland-Klinik,

herzlich willkommen in der Ausstellung von Karl-Heinz Pasing.

 

Ich habe heute das Vergnügen, Ihnen die Person KH Pasings und sein künstlerisches

Schaffen näher zu bringen. Viele von Ihnen kennen ihn persönlich, sei es als Freund oder aus dem Kontakt mit der VHS Gelderland, die meisten von Ihnen werden ihn heute in einer weiteren Facette kennen lernen – nämlich in der des Malers.

 

Ich bitte Sie, sich zu Beginn von mir auf eine Gedankenreise mitnehmen zu lassen, die wie folgt aussieht: Stellen sie sich einen Berg vor, der an einem Tag wie heute von der Sonne beschienen wird. Versuchen Sie, seinen Gipfel, wie seine Flanken und Ausläufer möglichst plastisch vor Ihrem inneren Auge zu sehen. Die Sonne fällt schon nicht mehr im Zenit stehend von vorne auf das Massiv, seine Oberflächenbeschaffenheit hebt sich als reich strukturierte Fläche vor Ihnen empor. Umkreisen Sie nun in Gedanken diesen Berg und begeben Sie sich auf die Schattenseite Ihres Berges. Das Sonnenlicht wird schwächer, sie treten in den Schatten des Berges, hinter dem die Sonne nun verschwindet und seine Kontur wird als Umriss das Bestimmende am Bild des Berges. Seine tatsächliche Größe wird nun um so deutlicher. Die Farbigkeit seines Bewuchses erscheint gedämpfter, aber nicht weniger eindrucksvoll. Das strahlende, plastische Bild

Ihres Berges verkehrt sich in ein kontemplativeres, ruhigeres und geheimnisvolleres Bild.

 

Gestatten Sie mir, diesen kleinen gedanklichen Exkurs als Metapher für ein philosophisches Prinzip anzuführen, das, obwohl es aus dem alten China stammt, gar nicht so weit von uns entfernt ist. Es ist das Prinzip von Yin und Yang, die sich ergänzen und zusammen ein Ganzes, eine harmonische Einheit bilden. Yang als die Licht- und Sonnenseite des Berges, Yin als die Schattenseite desselben Berges. Erst in ihrer gleichzeitigen und gleichberechtigten Existenz präsentiert sich eine Sache, der Berg, in Gänze. Wo Yin ist, muss auch Yang sein, ansonsten ist das harmonische Gleichgewicht gestört. Sie sind polare Gegensätze, die sich jedoch nicht ausschließen, sondern ergänzen.

 

Lassen wir den Berg hinter uns und wenden wir uns der Ausstellung zu, die in ihrem Titel „polare Einheit“ auf das Prinzip von Yin und Yang anspielt. Karl-Heinz Pasing präsentiert uns an zwei Ausstellungsorten, hier in der Gelderland- Klinik und im benachbarten See-Hotel Bilder, Lichtobjekte und Texte, die bei aufmerksamer Betrachtung vieles von dem Gedanken der polaren Einheit des Yin und Yang in sich tragen. So stellt KH Pasing oftmals 2 Bilder als Dyptichen zusammen, die sich formal wie inhaltlich ergänzen. Dann wiederum präsentiert er uns Gemälde, die nicht nur Tafelbilder im klassischen Sinne sind, sondern die als „Licht-Bilder“ auf die Fensterscheiben aufgebracht werden und mit Hilfe des Tageslichtes beginnen zu leuchten. Eine Erweiterung des rein Malerischen schließlich in den Raum der Poesie und Lyrik bedeuten die nebeneinander präsentierten und sich thematisch entsprechenden Bilder und Texte. Sie wirken als Gesamtkunstwerk auf mehreren Ebenen und fordern den Betrachter auf, über tief empfundene visuelle und kognitive Reize ein abstraktes Thema in seiner Komplexität zu erleben.

 

Das Konzept der beiden Polaritäten Yin und Yang, die sich als „die großen Gegensätze“ im absoluten harmonischen Gleichgewicht befinden, findet sich gleichsam programmatisch auch im Titel der Ausstellung „polare Einheit“ wieder. Im Sinne dieses Dualismus ist auch die Ausstellung selbst in zwei Aspekte, nämlich zwei Ausstellungsorte, aufgeteilt. Die eine Hälfte der Ausstellung findet hier in der Gelderland-Klinik statt, die andere Hälfte ist im See-Hotel auf der anderen Seite des Rayers-See zu sehen. Die Bilder und Gedanken von KH Pasing in ihrer Gänze nachvollziehen zu können bedeutet, die Bilder, Texte und Installationen an beiden Schauplätzen komplementär, also sich gegenseitig ergänzend, wahrzunehmen. Das Angebot Pasings, sich dabei von dem kurzen Spaziergang durch die Natur entlang des Seeufers inspirieren zu lassen, entspricht den naturphilosophischen und spirituellen Ansätzen in seinem Werk.

 

Der ewige Kreislauf des Lebens, die seelische Gestimmtheit des Menschen und sein

Einvernehmen mit seinesgleichen und der Natur sind die großen Themen, die Pasing in seinen Bildern und Objekten aufgreift. Dabei stellen sich seine Werke als abstrakte, jedoch stark strukturierte Bilder dar, die durch ihre Kombination als Diptychen oder Triptychen Angebote an das vergleichende Sehen darstellen. Indem sich der Betrachter darauf einlässt, den Strukturen, Verläufen und Farben nachzuspüren, kann er abstrakte Themen wie das Werden und Vergehen des Tages, die Kraft von Worten oder die Harmonie von Farbklängen erleben.

 

Die Licht-Bilder „Worte“ beispielsweise operieren mit Buchstaben, die als komplexes, ineinander verwobenes System von Linien den monochrom dunklen Bildgrund aufbrechen und feine farbliche Strukturen offen legen, die der ursprünglichen Untermalung der Leinwand entsprechen. Durch ihre Montage vor die Fenster des Raumes werden sie ähnlich den Glasmalereien von Kirchenfenstern von hinten

durchleuchtet und mit eigener Strahlkraft versehen. Der nebenstehende Text spricht in sensibler Weise davon, dass Worte „erdrücken“ oder „umarmen“ können und weist der verbalen Kommunikation der Menschen großen Stellenwert zu, möchte für diese Kommunikationsform sensibel machen. Ähnlich die Collage an der gegenüberliegenden Wand „Augenblicke“, die Fotografien von Augen unterschiedlicher Lebensalter vereint. Das Bild hält dem Betrachter selbst „den Spiegel vor“, so dass er bei der Betrachtung auf sein eigenes im Bild gespiegeltes Augenpaar trifft. Dass Augen als Spiegel der Seele gelten, wird an diesem Exponat deutlich. Die Lichtinstallation „Kreislauf“ schließlich, die Sie am Eingang des See-Hotels erwartet, besteht aus 4 aneinander montierten Leinwänden, die zusammen eine Stele oder eine Lichtsäule bilden, je nachdem, ob der Lichtschalter für die Beleuchtung im Inneren betätigt wurde oder nicht.

Indem der Betrachter das Objekt umkreist und es in der Bewegung durch immer neue Blickwinkel und Details erfährt, wird ein Kreislauf angestimmt, der dem des Lebens entspricht und auch das Prinzip von Yin und Yang wieder aufnimmt. Im nebenstehenden Text schreibt KH Pasing: „(wenn) ein Yin sein Yang aufnimmt/die Pole/wie Magneten sind/ dann weißt du/dass ein Kreislauf dich umgibt...“

 

Wie prägend das Konzept der chinesischen Philosophie für Pasing ist, macht er auch durch die Stempel deutlich, mit denen er seine Texte und Bilder signiert. Die beiden versetzt übereinander gestempelten Symbole bedeuten „Kraft“ und „Harmonie“, die sich in Kombination als „Kraft durch Harmonie“ lesen lassen.

Kraft kann sowohl als physische wie auch als mentale Kraft gedeutet werden, die durch einen Zustand der inneren Harmonie ermöglicht wird. Die Bilder von KH Pasing können als Angebote zur Selbsterfahrung gelesen werden, die der Entfremdung zwischen Kunst und Betrachter entgegenwirken wollen. Sie haben das Potential eine Form von Wissen zu aktivieren, das jeder in sich trägt. Ein Wissen um die großen Zusammenhänge und die wirklich wichtigen Themen im Leben.

 

Nina Schulze